CD Cover TLS 119

GEORG KRÖLL
Tagebuch für Klavier
2 CD, TLS 119

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CD Cover TLS 130

KARLHEINZ STOCKHAUSEN
Natürliche Dauern 1–24,
2 CD, TLS 130

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CD-Kritik

CD-Kritik zu GEORG KRÖLL: Tagebuch für Klavier

MusikTexte:

Teile und doch ein Ganzes

Gleich das erste Stück dieser Doppel-CD besticht durch seinen mehrfachen Dialog zwischen höchstem und tiefstem Register sowie zwischen normal angeschlagen Klaviertasten und gezupften Klängen im Innenklavier ...

Dank der ebenso einfühlsamen wie zupackenden Interpretation und kongenialen Ersteinspielung durch den Düsseldorfer Pianisten Udo Falkner entfaltet die gestische Prägnanz und auf den Punkt gebrachte pianistische Virtuosität von Krölls Klavierstücken ihre unmittelbare Wirkung.

Falkner bringt die musikalische Substanz dieser hundertvierundzwanzig Miniaturen – inzwischen sind etliche weitere hinzugekommen -zum Leuchten, etwa die springende Melodie der swingenden Nummer 55 „Viertel = 116“, die aus der Höhe in den Bass wandert, um sich schließlich in wie dumpfe Trommelschlägel tönende Cluster aufzulösen.

Lässt sich die Lyrik dieser Bagatellen – die seit Beethovens späten „Bagatellen“ Verdichtungen statt Nichtigkeiten meinen – von jedem Hörer intuitiv erfassen, richtet sich ihr musikhistorischer Beziehungszauber dagegen mehr an Kenner und im Repertoir gut bewanderter Liebhaber. Viele Stücke spielen auf Musik anderer Komponisten aus Geschichte und Gegenwart an.

Nummer 11 etwa huldigt der modalen Harmonik des französischen Katholiken Olivier Messiaen, indem der Pianist zwischen entsprechen Akkorden die Messverse „gloria in excelsis deo et in terra pax hominibus“ flüstert. In der „Hommage à L.v.B.“ greift Kröll das erste Thema von Beethovens „Großer Fuge“ auf und in „Vorwärts“ überlagert er Brecht/Eislers berühmtes „Solidaritätslied“ mit dissonanten Clustern. Ferner zitiert beziehungsweise erinnert werden Krölls einstige Kompositionslehrer an der Kölner Musikhochschule Frank Martin und Bernd Alois Zimmermann sowie weitere Komponisten von Dufay aus dem vierzehnten Jahrhundert über Frescobaldi und Mozart bis zu den geschätzten Zeitgenossen Feldman, Lachenmann, Zender, Terzakis, Klaus Huber, und Rolf Riehm.

Neben Hommagen an Freunde, Rundfunkredakteure (Wilfried Brennecke) und Musikwissenschaftler (Peter Becker) sind auch zwei Widmungen an György Kurtág hervorzuheben. Mit dessen anspielungsreich sprechender Musik ist Krölls Schaffen tatsächlich ebenso seelenverwandt wie mit den frühen Fragmentwerken „Papillons“ oder „Carnaval“ von Robert Schumann. Sind diese romantischen Porträt- und Charakterstücke durch kurze Tonkonstellationen zu regelrechten Zyklen verknüpft, so basieren auch alle Stücke von Krölls „Tagebuch“ auf einer der insgesamt fünfhundertfünf möglichen Ableitungen der Zwölftonreihe der „Suite“ für Klavier opus 25 von Arnold Schönberg, dem denn auch mit einer „Parodia ad A. Sch.“ gehuldigt wird ...

Falkners Auswahl von hundertvierundzwanzig Stücken aus Krölls bis zum Jahr der Einspielung 2012 „Tagebuch“-Eintragungen wirkt so schlüssig, dass viele Nummern ohne jeglichen Bruch attacca ineinander übergehen, obwohl sie in sich abgeschlossen sind: Teile und doch ein Ganzes – hier wird’s Ereignis!